Portrait Ensemble RESONEZ im Victoriahaus

O Amor Deus

Ensemble RESONEZ

Gregorianik und Gegenwartsmusik aus Schweizer Quellen

Die Schweiz verfügt über eine reiche Sammlung an mittelalterlichen Manuskripten, die Musiknotationen enthalten. Sie werden zum Teil an ihren Ursprungsorten, meist Klöstern, aufbewahrt und teilweise sogar noch heute von religiösen Gemeinschaften genutzt.

Das Ensemble RESONEZ widmet sein neues Programm den helvetischen Zeugnissen sowohl der mittelalterlichen als auch der zeitgenössischen Musik. Ein-, zwei- und dreistimmige Gregorianik wird von den Sängerinnen des Ensembles a cappella gesungen, andere monodische Stücke aus dem Mittelalter werden auf der Solo-Blockflöte gespielt. Ein musikalisches Auftragswerk, von der Komponistin Ulrike Mayer-Spohn für das Ensemble RESONEZ geschrieben, vereint die Sängerinnen und die Instrumentalistin in einem gemeinsamen Werk mit dem Titel fER von einer Dauer von etwa 10 Minuten.

Portrait Ensemble RESONEZ im Victoriahaus

© Dirk Letsch

Die Liebe als Ursprung und Ziel des Lebens steht im Mittelpunkt des neuen Programms. Das Eingangsstück, das dem Programm seinen Titel gibt, wird Philippe le Chancelier zugeschrieben, einem grossen Denker des frühen 13. Jahrhunderts, der an der Universität von Paris lehrte und zahlreiche religiöse Gedichte und Lieder schrieb. Sein Konduktus „O Amor Deus Deitas“ ist in zwei Manuskripten festgehalten, die heute in Basel aufbewahrt sind. Dieses Gedicht dient ebenfalls als textliche Grundlage für Mayer-Spohns Komposition fER, welche als krönender Abschluss des Konzerts die Zuhörer:innen zurückführt in die Gegenwart.

Weitere musikalische Quellen des Programms sind die Basler Liederhandschrift, ein Manuskript der Zisterzienserinnenabtei Maigrauge in Fribourg, der Codex Engelberg 314 und das Manuskript 383 der St. Galler Stiftsbibliothek, welches im 13. Jahrhundert in der Kathedrale von Lausanne verfasst worden ist.

Die besondere Schönheit des gregorianischen Repertoires, zugleich tiefgründig, einfach und voller Licht, wird in Kirchen mit grossem Raumhall ideal zur Geltung gebracht. In Einbeziehung der kirchlichen Architektur wird die Vielfalt ihrer akustischen Möglichkeiten genutzt, indem die Interpretinnen an verschiedenen Orten in der Kirche musizieren. Eine eigens geschaffene Lichtkreation trägt dazu bei, aus dem Hörerlebnis ein Moment des Auftankens und der Meditation zu machen. Dieses Programm lädt ein zum Eintauchen ins Intime, in die Empfindsamkeit, und auch zur Öffnung gegenüber Unbekanntem, dessen Quelle doch in nächster Nähe ist.

Portrait Ensemble RESONEZ

© Dirk Letsch

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Künstlerisches Team:

Ensemble RESONEZ:
Ann Allen, Gesang
Angélique Greuter, Gesang
Katarina Šter, Gesang
Marie Verstraete, Blockflöten, Fidel

Ulrike Mayer-Spohn, Komposition
Mark Searle, Lichtkreation
Angélique Greuter, Konzept und künstlerische Leitung

Ensemble RESONEZ

Die Sängerin Angélique Greuter und die Blockflötistin und Fidelspielerin Marie Verstraete lernten sich 2011 bei einem Mittelalterkurs von Benjamin Bagby und Marc Lewon in Belgien kennen und entwickeln seitdem gemeinsam Konzertprogramme. Ann Allen studierte an der Schola Cantorum in Basel Barockoboe und Schalmei, bevor sie sich ebenfalls dem Gesang zuwandte. Mit ihr wurde das Ensemble 2021 zum Trio. Für das kommende Programm O Amor Deus wird die Sängerin Katarina Ster hinzugezogen, die Spezialistin ist im Bereich der liturgischen Mittelaltermusik.

Sich abstützend auf historische Recherchen – sie transkribieren die Originalhandschriften gewöhnlich selbst – beziehen die Musikerinnen auch ihre eigenen künstlerischen Persönlichkeiten und Erfahrungen mit ein, um dem heutigen Ohr die Musik aus früheren Jahrhunderten zugänglich zu machen. Das Ergebnis ist eine lebendige mittelalterliche Musik, die für heutige Zuhörer:innen überraschend schön, spannend und mitreissend wirkt. Ihre ausdrucksstarke Interpretation wird getragen durch hohe Musikalität und technische Meisterschaft.

Nebst Auftritten in romanischen und gotischen Kirchen (Kartäuserkirche Basel, Wehrkirche St Arbogast in Muttenz, Collégiale von St Ursanne, Romanische Kirche von Kleinhöchstetten) spielte das Ensemble ebenfalls in der renommierten Sammlung mittelalterlicher Textilien der Abegg-Stiftung im Kanton Bern. Im November 2022 war das Ensemble zu Gast im bird’s eye jazz club von Basel im Rahmen einer Kooperation zwischen dem TEXTUR Festival – Alte Musik in neuen Kombinationen und der Reihe Spiegelungen.

Ulrike Mayer-Spohn

Auftragskomposition für das Programm O Amor Deus

fER, ein Auftragswerk von Ars vivendi – Life as Art für das Ensemble RESONEZ, umspielt Intervall-Varianten, die sich aus verschiedenen historischen Stimmungen (Intonationssystemen) ergeben, im Speziellen unterschiedlich intonierten Terzen. In zerbrechlichen Klängen, ein brüchiger und zarter Tonansatz ist im Stück zentral, thematisieren sich Begriffe wie Schatten, Ränder und Fragmente; sie verweisen einerseits auf historisch gewachsene und beinahe vergessene Intervallordnungen, andererseits schlagen sie eine Brücke zur Mikrointervallik, die im aktuellen Umgang mit der eigenen Geschichte wie mit aussereuropäischen Musikkulturen neue und intensive Beachtung findet.

Ulrike Mayer-Spohn am Mischpult

© Javier Hagen

Lebenslauf

Aussergewöhnliche Vielfalt zeichnet die Komponistin und Multiinstrumentalistin Ulrike Mayer-Spohn aus. Seit 1999 wirkt sie als Blockflötistin, Geigerin, Bratscherin oder Fidelspielerin bei spezialisierten Ensembles für Alte Musik (Amsterdam Barok Compagnie, Collegium Musicum Stuttgart, La Chapelle Ancienne, La Morra u.v.m.) und konzertiert in Deutschland, China, Holland, Frankreich, Spanien, Italien und in der Schweiz. Im Bereich der zeitgenössischen Musik arbeitet sie mit weltweit führenden Komponisten zusammen und spielt jährlich über 20 ihr gewidmete Uraufführungen, die sie auch für den Rundfunk sowie bei VDE Gallo auf CD eingespielt hat.

Ihre ersten Kompositionen gehen auf das Jahr 2007 zurück. Ihre Werke wurden seitdem von namhaften Formationen in der Schweiz, Frankreich, Griechenland, Italien, Russland, Australien, USA und China uraufgeführt und vom Schweizer Radio ausgestrahlt (Stuttgarter Vocalsolisten, Ensemble Phoenix Basel, Vertigo, DissonArt, UMS `n JIP u.a.m.) unter der Leitung von Beat Furrer, Mark Foster, Tsung Yeh, Jürg Henneberger und Filippo Perocco.

Mit dem Schweizer Komponisten und Sänger Javier Hagen bildet sie das experimentelle Neue Musik-Duo UMS `n JIP für Stimme, Blockflöten und Elektronik, das neben Ensemble Modern, Intercontemporain und Kronos zu den aktivsten weltweit gehört und 2011 das prestigeträchtige MusiquePro Stipendium gewonnen hat. Kern ihrer Forschungsarbeiten sind die Bereiche des Musiktheaters (Kammeropern One, Two, Three, Four, Five), der liveelektronischen Musik und der Klangspatialisierung.

Ulrike Mayer-Spohn wurde in mehreren internationalen Kompositionswettbewerben ausgezeichnet: 2. Preis bei Culturescapes 2010, 2. Preis beim Kompositionswettbewerb des Musikfestivals Bern 2011, Scholarship Award 2011 Music Village Mount Pelion Greece, Call for Scores Award L’Arsenale Treviso Italy 2011.

Rhone Zeitung: „eine minimalistische hochexpressive Arbeit, die bereits nach dessen Premiere internationale Einladungen von bekannten Festivals in Frankreich und Ostasien erhalten hat.“
(One, Sion 1/09)

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